Hier erscheinen Spielebesprechungen in unregelmäßigen abständen.

DORFROMANTIK
Auf der SPIEL in Essen 22 hatte ich mir das Spiel in dem von Pegasus extra dafür erstellten Pavillon angesehen und fand es langweilig. Damit war das Spiel auf meiner To-do-Liste abgehakt.
Kurz vor Weihnachten treffe ich bei Merlins Harry und er erzählt mir, wie großartig Dorfromantik sei. Großartig fragte ich ihn. Ja, großartig. Diese Meinung wurde von den Mitarbeitern bestätigt. Erstaunt ging ich nach Hause und fragte bei einigen Spielefreunden/innen an, ob sie es schon gespielt hätten. Keiner.
Zwischen den Jahren war ich wieder bei Merlins und Nico war bereit, mir das Schaufensterexemplar (alle anderen waren verkauft!!!) zum Ausprobieren auszuleihen. Ich kaufe keine Spiele mehr, da meine Frau meint, wir hätten schon viel zu viele Spiele und im Keller wäre kein Platz mehr (ich sehe das ein wenig anders, aber …).
Ein wenig unsicher bin ich immer, wenn ich eine Besprechung zu einem Spiel schreibe. Zum einen sind Spiele Geschmacksache wie Musik, Literatur und Malerei, zum anderen bin ich nie sicher, ob ich das Spiel schon oft genug gespielt habe, um mir eine öffentliche Meinung zu erlauben. Dorfromantik habe ich jetzt fünf Mal gespielt und ich erlaube mir, meine persönliche Meinung zu dem Spiel zu schreiben.
Dorfromantik ist ein kooperatives Spiel, was mir grundsätzlich gut gefällt. Gerne habe ich Spiele wie Pandemic (plus, Legacy), Flash Point, Aeons End (plus, Legacy) und Paleo (trotz, der etwas verschwurbelten Regel) gespielt. Dorfromantik ist ein Legespiel. Legespiele haben den Vorteil, dass sie meist mit wenig Regeln auskommen wie Carcasonne, Cascadia oder Calico. Dorfromantik hat einen Entwicklungsmodus ähnlich den Legacy Spielen, aber ohne dass Karten zerrissen oder Spielkarten beklebt werden. So wird im Laufe des Spiels weiteres Spielmaterial „frei geschaltet“, das in fünf zusätzlichen Schachteln verborgen und die im Spiel enthalten sind.
Zusammen bauen die Spieler/innen eine Landschaft auf. Nicht besonders neu. Dazu stehen 6 Landschaftstypen zur Verfügung: Wald, Feld, Dorf, Fluss und Gleis. Die sechseckigen Kärtchen (nein, es ist nicht so wie Siedler) können entweder nur einen Landschaftstyp enthalten oder eine Kombination aus mehreren Typen. Dann kann ein Feld neben einem Wald liegen oder ein Dorf an einem Fluss und davor ein Gleis abgebildet sein. Die Legeregeln sind einfach. Jedes Kärtchen muss an ein bereits liegendes Kärtchen angelegt werden, aber ohne besondere Einschränkungen mit zwei Ausnahmen. Flüsse und Gleise müssen kontinuierlich fortgeführt werden. Kein Kärtchen darf an einen Fluss oder ein Gleis so angelegt werden, dass Fluss oder Gleis abrupt enden. Wo bitte schön ist jetzt der Reiz? Dachte ich auch.
Zu Beginn des Spiels werden drei Aufgabenplättchen aufgedeckt und aneinander angelegt. Die Aufgaben beziehen sich direkt auf eine Landschaft, z. B. Wald. Zusätzlich wird eine Marke gezogen, die die Anzahl (4-6) der Plättchen, aus der diese Landschaftsform bestehen soll, vorgibt, um die Aufgabe zu erfüllen. Gleichzeitig dient diese Marke als Siegpunkte am Ende des Spiels, wenn die Aufgabe erfüllt wurde.
Danach ziehen die Spieler/innen der Reihe nach Landschaftsplättchen und legen sie an die bestehenden Plättchen an und versuchen, die Aufgaben zu erfüllen. Wird eine Aufgabe erfüllt, zieht der/die nächste Spieler/in ein neues Aufgabenplättchen, versieht es mit einer Marke und legt es an, sodass immer drei Aufgaben ausliegen.
Unter den Landschaftsplättchen befinden sich noch drei Fahnen-Plättchen für Wald, Getreide und Dorf. Diese Plättchen versuchen die Spieler in ein entsprechendes Gebiet einzubauen, das am Ende des Spiels komplett abgeschlossen sein muss, also keine freie Kante hat. Dies gibt zusätzliche Siegpunkte entsprechend der Anzahl der Plättchen.
Sind alle Landschaftsplättchen „verbaut“, endet das Spiel und die gewonnenen Siegpunkte werden addiert.
Wenn ich diese Beschreibung lese, hört sich das alles sehr einfach an. Ist es aber nicht. In der ersten Partie hatten wir etwas mehr als 130 Punkte bedeutet „Nachtwächter“. In der zweiten Partie keine 100 Punkte und damit „Vagabund“. Was wir nicht auf uns sitzen lassen konnten. Dritte Partie, etwas mehr als 150 Punkte und damit „Wirtin“.
Die einzelnen Ergebnisse haben in zehner Schritten Berufsbezeichnungen. Das Niedrigste ist der „Vagabund“, das höchste (400 Punkte) die „Kaiserin“.
Nach einer Partie erlaubt das erreichte Ergebnis das Ausstreichen einer bestimmten Anzahl Kreise auf dem Kampagnenblatt. Diese "Kreiswege" führen zu weiteren Feldern, die das Öffnen der oben erwähnten Schachteln erlauben und damit neues Spielmaterial einführen. So haben wir unter anderem zwei Herzen, das Plättchen „Zirkus“ und „Damhirsch“ freigespielt, die es ermöglichen, zusätzliche Punkte zu generieren, aber wer hätte es gedacht, nicht ganz einfach zu erfüllen sind.
Was ist denn nun der Reiz und warum ist es nicht so einfach?
Die Aufgabenplättchen und die Landschaftsplättchen, die gezogen werden, passen nie richtig zusammen. Nach den ersten Partien achteten wir darauf, die einzelnen Landschaften nicht zu groß werden zu lassen, damit daran immer ein neu gezogenes Aufgabenplättchen angelegt werden kann. Gleichzeitig wollten wir ausliegende Aufgaben so schnell als möglich erfüllen, um neue Aufgaben und damit zusätzliche Siegpunkte zu erhalten. Ideal ist es, wenn zwei Aufgabenplättchen mit der gleichen Landschaft hintereinander gezogen werden und erst die Siegpunktmarke 4 (4 Gebiete) und dann 5 gezogen wird. So besteht die Möglichkeit sehr schnell zwei Aufgaben zu erfüllen. (Es ist nicht erlaubt, eine 4er-Siegpunktmarke auf ein bereits bestehendes 5er Gebiet zu legen). Natürlich besteht der Reiz darin, einen neuen „Highscore“ zu erzielen und weiteres Spielmaterial freizuspielen. Dieses neue Spielmaterial bietet die Möglichkeit, mehr Siegpunkte zu generieren, aber damit steigen auch die Herausforderungen und der Schwierigkeitsgrad.
Die Regeln sind sehr einfach und verständlich geschrieben, aber die Erfüllung der Aufgaben verlangt Planung und Vorausschau, um die gewünschten höheren Punktzahlen zu erreichen. Das gelingt aber nicht linear, die Punktzahl steigt nicht kontinuierlich, da es auch immer wieder sehr schmerzhafte Rückschläge (siehe oben) gibt. Den Reiz erkennt jeder sofort, der gerne auch mal digitale Spiele spielt. Wenn die Spieler/innen sich darauf einlassen, kann das Spiel süchtig machen. Ich war davor gefeit, da wir in unserer ursprünglichen Zusammensetzung nach Neujahr nicht mehr weiterspielen konnten. Ansonsten wäre es auch bei mir nicht bei fünf Partien geblieben. Allerdings packt diese Begeisterung nicht alle Mitspieler/innen. Manche Spieler/innen finden den sich immer wiederholenden Spielablauf und die Jagd nach einem neuen "Highscore" langweilig, dies muss bei aller Euphorie auch erwähnt werden, eben Geschmacksache.
Ich finde, dass Lukas und Michael mit Dorfromantik ein richtig gutes Spiel gelungen ist, für mich in jedem Fall nicht mehr langweilig, sondern sehr spannend und aufregend.